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Warschaus Powązki-Friedhof ‒ Ruhe, Frieden & Ruhe in Frieden

Mein innerer Einsiedlerkrebs hat heute vor allem ein einziges Bedürfnis: alleine mit mir und meinen Gedanken zu sein. Außerdem Ruhe. Stille. Und frische Luft. (Naja, und Schlaf. Aber Schlafen wird in einer so schönen Stadt wie Warschau völlig überbewertet – das kann ich auch zuhause.) Und wo findet frau in der polnischen Hauptstadt ein Maximum an Ruhe und Frieden? Natürlich auf dem Friedhof, dem Warschauer Powązki-Friedhof um genau zu sein. Aber keine Angst: nicht permanent. 😉

Der Powązki-Friedhof

Mein Uber fährt mich direkt vors Tor von Warschaus riesigem historischen Friedhof: Der Powązki-Friedhof ist über 200 Jahre alt. Majestätische, alte Baumriesen spenden am heutigen Sommertag wohltuenden Schatten.

So weit das Auge reicht und in jede Richtung stehen die belaubten Wipfel der hohen Bäume, nur durchbrochen von Sonnenstrahlen. Es herrscht köstliche Stille. (Bis auf eine große Beerdigungsgesellschaft, die ich allerdings schnell hinter mir lasse. Und sonderlich laut sind die auch nicht.)

Warschauer Friedhofs-Psychologie

Auf dem Powązki-Friedhof reihen sich Gräber dicht aneinander. (Überraschung.) Und sind so vielfältig, wie die Menschen, die in ihnen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Da gibt es zum Beispiel die ganz Schlichten, denen ein einfaches Plätzchen in der Mauer des Kolumbariums genügt.

Kolumbarium mit Grabplatten auf dem Powazki-Friedhof
Kolumbarium auf dem Powazki-Friedhof

Auch diejenigen Verstorbenen, die schon immer mal ein Schlösschen wollten, haben es zahlreich auf den Powazki-Friedhof geschafft. Und es sich post mortem als Grabmal gegönnt.

Grabmal auf einem Friedhof in Warschau
Forever Schlossherr oder so.

Genau wie im Leben gibt es auch im Tod die Einsamen, deren Ruhestätte die Natur schön langsam zurückerobert.

Bemostes Grab auf einem Warschauer Friedhof

Die Populären, die Zeit ihres Lebens immer viel Besuch und Familie und Menschen um sich hatten, verzichten darauf auch nach dem Tod nicht. Besucherbänkchen sind hier auf dem Cmentarz Powazkowski ziemlich populär.

Grab auf dem Powazki-Friedhof

Und dann waren da noch die leicht größenwahnsinnigen Philosophen, die durch ihr Grab Besucher daran erinnern wollen, dass mit ihrem eigenen Tod auch der Ruhm Welt vergangen ist (Sic transit gloria mundi). Oder vielleicht ist ihnen auch einfach kein anderer passender Spruch mit entsprechender Gravitas auf Latein eingefallen. Optisch ist dieses Grab jedenfalls ein definitiver Hingucker.

Powazki-Friedhof in Warschau

Und dann gibt es noch die Armen, bei denen es nicht für ein schickes Grabmal gereicht hat. Und deren Grab trotzdem mit viel Liebe gepflegt wird.

Grab für Arme in Polen

Am Ende vom Lied sind sie alle gleich, philosophiere ich vor mich hin. Jedenfalls fühle ich mich in bester Gesellschaft und noch besser unterhalten. All meine Sinne entspannen sich fühlbar. Ich genieße es, in meinem eigenen Tempo völlig entspannt über den Powązki-Friedhof zu stapfen. Bis nach einiger Zeit meine Ruhe-Batterien aufgeladen sind und ich mich wieder unter Menschen begeben möchte.

Vom Lustwandeln im Łazienki-Park

Noch 2 Stunden, bis es losgeht in Richtung Flughafen und Heimat. Das ist mehr als ausreichend Zeit für ein letztes Warschau-Highlight: den majestätischen Łazienki-Park.

Er ist eine der grünen Lungen Warschaus und gleichzeitig friedliche Oase inmitten der polnischen Hauptstadt. Pfauen stolzieren rund um das Palais auf dem Wasser. Und ich mit ihnen. Die haben nämlich keine pinken Blümchen. Ha!

Palais auf dem Wasser in Warschaus Lazienski-Park
Kaiserwetter im Königlichen Bäderpark Łazienki Królewskie

Vorbei an einem einmaligen Amphitheater im römischen Stil (das ich wegen der strahlenden Mittagssonne leider nicht schön genug für Dich ablichten konnte) immer am Wasser entlang. Bis zu einem Bänkchen, von dem aus ich diesen Blick genieße:

Der Pałac na Wodzie in Warschau
Der Pałac na Wodzie im Herzen Warschaus

Touristen beim Bootfahren zusehend sinniere ich darüber, dass mich dieses Wasserschlösschen ein wenig an Schloss Herrenchiemsee erinnert. (Allerdings ohne die architektonischen Steroide, die der gute Ludwig seinen Prachtschlössern vorher einverleibt hat.)

Nach einigen entspannten Momenten ploppt mein Flugticket auf dem Smartphone-Bildschirm auf und signalisiert mir, dass es Zeit ist, mich auf den Heimweg zu machen. Und so schlendere ich ein letztes Mal los, vorbei an der Orangerie, zum nächsten Parkausgang.

Dabei stelle ich fest: Eigentlich könnte ich Lustwandeln (nicht zu verwechseln mit Frustwandeln!) zu meinem offiziellen Hobby erklären. Das lustvolle Setzen der Füße, einen vor den anderen, zielloses Treibenlassen, dabei die Umgebung mit allen Sinnen genießend. So lautet meine persönliche Definition von Lustwandeln. Leider etwas, das im Alltag oftmals zu kurz kommt ‒ allerdings habe ich im Alltag auch nicht Warschau und den Powązki-Friedhof zur Verfügung…

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