Spätsommer am Berg. Sonnenstrahlen fallen auf majestätische Berggipfel, die in einen quietschblauen Himmel ragen. Obenauf ein Poet. Der etwas extrem Inspiriertes liest, während ich zwischen der optischen und der inhaltlichen Schönheit derart gefangen bin, dass mir kaum mehr die reine Bergluft auffällt. Da kommt man richtig ins Schwelg… Cut. *hier setzt Du dieses Geräusch ein, das Radiosender gerne an einer solchen Stelle verwenden: ein immer tiefer werdendes, nerviges Rissgeräusch* Denn die 3. Lecher Literaturtage 2019 waren auf jeden Fall ein absolutes Erlebnis. Wenngleich etwas anderer Art, als mein Hirn sich das ausgemalt hatte. Doch fangen wir von vorne an.
In diesem Artikel:
Mystisch umnebelte Bergwelten
Am Donnerstag fahre ich vom feuchten München auf den nassen Arlberg. Die Temperaturen sind in ganz Mitteleuropa abrupt vom Sommer in den Herbstanfang gestürzt. Vage erinnere ich mich noch, was frau so bei 5 Grad Celsius trägt. Und packe meinen Koffer entsprechend. In anderen Worten: Viel zu viel Gepäck.
Auf dem Berg angekommen, erwartet mich im Hotel Sonnenburg ein wie gewohnt warmer Empfang. Grund meiner Geschäftsreise: das Thema Literatur auf der Website der Sonnenburg prominent zu präsentieren. Schließlich sind „wir“ Literaturhotel. Wie herrlich passend – wenn auch nicht gänzlich zufällig – dass dieser Termin zeitlich mit den 3. Lecher Literaturtagen zusammenfällt.
Lesung „Liebwies“: Wenn böse einfach nur gut ist
Alles beginnt mit der Auftaktveranstaltung, in der die Beteiligten sich und das Thema „Heimat“ vorstellen (und ich mich irgendwann ob meines knurrenden Magens aus kulinarischen Gründen absetze). Den literarischen Auftakt der Lecher Literaturtage setzt dieses Jahr die junge Schriftstellerin Irene Diwiak.
Sie liest in der Bibliothek vor etwa 30 Zuhörern aus ihrem Debütroman „Liebwies“. Darin erzählt wird die Geschichte der eitlen und gänzlich tiefbegabten Gisela, die von ihrem Mäzen zum Opernstar aufgebaut werden soll. Aus dem Dorf Liebwies importiert dieser sie in die große Stadt ‒ wenngleich mit sehr mäßigem Erfolg.
Daneben porträtiert Diwiak auf spitzzüngige Weise noch weitere Charaktere und zeichnet ein unterhaltsames Bild des Österreich der 1920er-Jahre. Nichts ist ihr heilig und so seziert die Autorin die menschliche Natur derartig intelligent und grausam, dass es eine wahre Freude ist.
Heimat im Wettbewerb
Den Gedichtschreibwettbewerb rund ums Thema „Heimat“ gewinnt der Allgäuer Poet Martin Uckley. Sein Gedicht „Heimatgefühle“ ist geprägt von Heimatliebe und dem gleichzeitigen Appell zu Toleranz in Zeiten von rasant wachsender Intoleranz. Vielleicht magst Du ja den „Maestro“ mal beim Vortrag erfahren:
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(Den etwas schwachen Ton bitte ich zu entschuldigen.)
Slammen am Berg – oder: mein erstes Mal
Natürlich habe ich schon zig Poetry Slams auf Youtube gesehen. Bei gemischten Vorträgen auf verschiedenen Events habe ich auch schon den einen Slammer und die andere Slammerin erlebt. Trotzdem buchstabiere ich es hier aus: Der Slam am Berg war mein erster Poetry Slam, live und in Farbe.
„Was ist denn eigentlich ein Poetry Slam?“, fragst Du vielleicht. In meinem laienhaften Verständnis erkläre ich es Dir wie folgt: Menschen schreiben kurze Texte und Gedichte. Meist zu einem gemeinsamen Thema, aber nicht immer. Und tragen sie dann vor. Ein Vortrag darf nicht länger als 6 Minuten dauern. Und was dabei herauskommt, ist mal lustig, mal nachdenklich, mal ein wenig peinlich – aber niemals langweilig oder gleich. Das Publikum stimmt im Anschluss darüber ab, welcher Vortrag ihnen am besten gefallen hat. (Wiki kann Dir das Thema vermutlich besser definieren, falls Du mehr zu Poetry Slams lesen magst.)
Der Regen hat dieses Event von der idyllischen Kriegeralpe ins Restaurant des Hotel Burg in Oberlech verlegt. Wenngleich das Panorama etwas darunter leidet, glänzt trotzdem die geballte Performance der sieben Slammer. So erzählt Lasse Samström in lustig taumelnden Schüttelversen von der „Moppeldoral“ der Welt. Er endet – tiefsinnig – mit: „Die Welt will Torte statt warten. Doch eine Tat wagt mehr, als sausend Torte.“
Außerdem begeistert hat mich besonders Sophia Szymula, die den Slam am Berg dann auch tatsächlich gewinnt. Von ihr jedoch später noch mehr.
Dinner & Lesung & Poetry – ein moderner Literatursalon
Abends findet sich im Privatissimum des Hotel Sonnenburg eine illustre ‒ und zugegebenermaßen auch hungrige ‒ Versammlung ein: darunter José Oliver, Lyriker, Dozent, Festival-Veranstalter. Er liest Passagen aus mehreren seiner Werke. Und spricht die wundervoll wohltuenden Worte:
„Heimat ist der Ort, an dem ich mich nicht erklären muss. Wo ich sein darf, wie ich bin.“
Diese ‒ und viele seiner anderen Worte ‒ fallen mir tief in die Seele. Außerdem stellt José mir mit dem Blauen Zweigelt aus dem Carnuntum eine neue große Weinliebe vor. Mmmh!
Mehrere Poetry Slammer füllen mit ihrer Sprachkunst die Pausen zwischen zwei deliziösen Gängen an der festlich gedeckten Tafel. Zudem singt die liebenswerte Nnella ‒ mal feenhaft, mal mit richtig Power ‒ über die Liebe im allgemeinen. Und ihre Liebe zu Apfeltaschen im ganz besonderen. Eine Frau nach meinem Herzen!
Doch die wahre Magie entfaltet sich erst im Laufe des Abends. Immer mehr Autoren, Poeten, Musiker und Buchhändler, die zuvor in ganz Oberlech verstreut waren, finden sich im Privatissimum ein. Es ergeben sich über Wein und Käse wertvolle, inspirierende, tiefgreifende, spannende, verrückte Gespräche. (Und ich Texterkind bin mittendrin und kann mein Glück kaum fassen.) Genau so stelle ich mir die Literatursalons im Paris, London, Berlin oder Wien Anfang des 20. Jahrhunderts vor. Ein Stück literarischer Himmel auf Erden.
Gondel-Poesie und Literaturfrühstück auf dem Rüfikopf
Das graue Meh-Wetter hat an diesem Sonntagmorgen seinen Höhepunkt erreicht: Lech hüllt sich mit Schneeregen und Nebel in eine feucht-kalte Decke. Immerhin erwartet uns noch recht müden Haufen hier Sophia Szymula. Bei ihrem Vortrag wache dann sogar ich recht zügig auf.
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Oben im Panorama-Restaurant angekommen, bietet sich eine fantastische Aussicht. Also fantastisch wie in „Die Nebel von Avalon“ und frei nach dem Motto „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“
Außer meinen ersten Schneemann in diesem Jahr. Mit Elvis-Tolle. Oder Hut.
Doch drinnen ist es warm und lecker. Und eine kleine, feine Podiumsdiskussion mit Lesungen zum Thema Heimat rundet die Lecher Literaturtage 2019 ab.
Ganz besonders erwähnenswert: ELTOs Songs, die zum Nachdenken, Träumen und einmal sogar zum Mitsingen einladen.
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Was bleibt von den Lecher Literaturtagen 2019?
Wertvolle Kontakte, Erinnerungen, viel kreative Energie. Ich freu mich schon auf 2020! Dann vielleicht ja sogar mit Sonnenschein.
PS: Um ganz genau zu sein, war bis zu meiner An- und auch gleich nach meiner Abreise wieder herrlicher Bergsommer. Mir hat er jedoch nur einmal drei Minuten lang sein Gesicht gezeigt, der Schlingel… Deswegen bin ich gleich, wie der Blitz, aus dem Wellness-Bereich gesprungen und habe ihn zumindest fotografisch eingefangen. 😉
PPS: Kulinarische Eindrücke dürfen bei einem Bericht aus der Sonnenburg auch nie fehlen (siehe mein Post „Arlberg ‒ Winterwandern im Frühling“):
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